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Geschrieben von stefano | 21.06.2023 22:00:00

Pro Jahr besuchen ca. 4,2 Millionen Besucher aus 185 Nationen die Markenwelten der Outletcity in Metzingen und gehen auf einer Fläche von etwa 40.000 qm auf Einkaufstour durch die Modewelt. Im Jahr 2019 wurde die Gesamtfläche durch zusätzliche Areale um etwa ein Drittel erweitert. Damit ist die Outletcity Metzingen laut der Marktuntersuchung vom Dezember 2022 "Outlet Centers in Europe", durchgeführt von der ecostra GmbH, das nach Verkaufsfläche größte Outlet in ganz Europa. Im Frühjahr 2020, bedingt durch Corona, sorgte der Lockdown auch in Metzingen für fallende Besucherzahlen. Die Geschäfte blieben geschlossen. Zusätzlich sorgten die seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine im März 2022 extrem steigenden Energiekosten für hohen (Kosten-)Druck, schnell unabhängiger und flexibler zu werden und sich aus der Abhängigkeit von Gas und einem drohenden Gaslieferstopp-Szenario durch die Umsetzung des "Notfallplans Gas" in Deutschland zu rüsten.

Wir sprachen mit Alexander Möller von DAIKIN Applied Germany und Thorsten Wehr von Gugel Kältetechnik, die in enger Partnerschaft mit weiteren Firmen an der Planung und Umsetzung zur Dekarbonisierung etwa eines Drittels des gesamten Outlets Metzingen beteiligt waren.

Corona überstanden, dann kam der Russland-Ukrainekrieg

Nach der gerade erst halbwegs überstandenen Coronakrise entwickelte sich 2022 die sichere und bezahlbare Energieversorgung nach Beginn des Russland-Ukrainekrieges zur zentralen Frage. Thorsten Wehr erinnert sich an die Sorgen der vom Betreiber eingesetzten Taskforce im März 2022 "Im Falle einer Gasmangellage in Deutschland und nach den im Notfallplan Gas der Bundesregierung von September 2019 festgelegten Konsequenzen wären die Stores mit als Erste von einem Gaslieferstopp betroffen gewesen", so Wehr, "für die Outletcity hätte dies konkret bedeutet: Ein Betrieb der bestehenden Gasbrenner zum Heizen der über 100 Geschäfte wäre nicht machbar und damit ein regulärer Verkaufsbetrieb faktisch unmöglich. Es war Eile geboten."

Schnelle Dekarbonisierung und Flexibilisierung der Wärmeversorgung

Eine Lösung war schnell formuliert: Die Energieversorgung muss unabhängig von Gas werden, sollte effizienter, kostengünstiger und nachhaltiger werden. Auch der konkrete Plan war schnell definiert: die Umstellung der Wärme- und Kälteversorgung auf effiziente Großwärmepumpen. "Besonders wichtig war dabei", ergänzt Alexander Möller, bei DAIKIN Applied für den Verkauf zuständig, "dass diese Umstellung sehr schnell passieren musste, um das bestehende Geschäftsmodell nicht zu gefährden." Allerdings ist ein Projekt dieser Größenordnung bei über 100 Geschäften, einer Vielzahl an Gebäuden und einer Gesamtfläche von über 40.000 qm mit rund 2.000 Beschäftigten sowohl planerisch als auch in der Umsetzung ein zeitkritisches Unterfangen. Thorsten Wehr: "Sämtliche vom Betreiber angefragten Planungsbüros winkten ab. Es seien keine Kapazitäten vorhanden". Der Beginn des Baus hätte sich so um mindestens ein Jahr nach hinten verschoben. Das war für den Betreiber undenkbar. Als Lösung holte man jeden bisherigen Wärme- und Kälte-Lieferanten an den Tisch und teilte den Gesamtauftrag in mehrere vom Umfang kleinere, leistbare Teile auf, um so das gesteckte Ziel – bis Ende 2022 die Outletcity zu dekarbonisieren – gemeinsam anzugehen.

Zweistufiges System mit 18 Kältemaschinen

Gugel Kältetechnik bekam mit seinem Partner DAIKIN Applied Germany, der Spezialist für industrielle Großkälte ist, den Zuschlag, etwa ein Drittel der Gebäude der Outletcity umzurüsten. Insgesamt waren in diesem Abschnitt sieben Gebäude verschiedener Größen mit jeweils individuellen Ausgangssituationen, unterschiedlichen verfügbaren Flächen für die neue Technik in und auf den Gebäuden zu planen und gemeinsam mit weiteren Firmen beispielsweise für den Rohrleitungsbau, zu realisieren. Das System soll die Wärmeversorgung im Winter sowie die Klimatisierung im Sommer übernehmen und die in dem überwiegenden Teil der Gebäude vorhandene, aber veraltete Klimatisierungstechnik sollte komplett ersetzt werden. Man setzte bei der Lösung auf ein zweistufiges System aus Wärmepumpen mit einer ersten Vorwärmstufe außen und einer zweiten Stufe im Innenbereich, da mit relativ hohen Vorlauftemperaturen von 65 °C bis zu 70 °C gearbeitet werden sollte. Die relativ hohen Vorlauftemperaturen sind für den Betrieb von Türluftschleieranlagen bedeutsam, um die im Handel praktizierte "Open Door Policy"* umzusetzen. Offene Türen sind im Winter 2022/2023 aufgrund der Energiesparverordnung der Bundesregierung nicht erlaubt. Aktuell bleiben die Türen geschlossen und über die Gebäudeleittechnik werden die Temperaturen reduziert.

*Der Handel setzt Türschleier gerne ein, denn diese Technik bietet zwei zentrale Vorteile: Einerseits erhöht sich in einem Ladengeschäft durch eine einladend offene Türe die Frequenz. Andererseits ist eine offene Türe hinsichtlich einer Barrierefreiheit wünschenswert.

Schnelligkeit bei Planung und Umsetzung

Die größte Herausforderung bei dem Umbau der Wärme- und Kälteversorgung war, dass Planung, Bestellung, Auslegung und Bauphase sehr schnell gehen mussten. Die Lieferzeit von DAIKIN Wärmepumpen beträgt in der Regel zwischen 15 – 16 Wochen. Dazu Alexander Möller: "Die allgegenwärtige Lieferkettenproblematik hätte der ambitionierten Planung schnell einen Strich durch die Rechnung machen können, denn es mussten insgesamt 18 Maschinen hergestellt werden. Die ersten Bestellungen gingen Anfang August 2022 ein und glücklicherweise waren wir in vollem Umfang lieferfähig", freut sich Alexander Möller, "so konnten wir den ambitionierten Zeitplan halten". Neben den zeitkritischen Lieferzeiten tauchten weitere Hindernisse auf, die schnell gelöst werden mussten. Im gesamten Projekt wurden an vielen Stellen notwendige Planungs- und Projektfortschritte, die üblicherweise hintereinander ausgeführt werden, zeitgleich ausgeführt und haben dadurch zu einer besonderen Geschwindigkeit in der Umsetzung geführt. Dazu Thorsten Wehr: "Ohne diese Parallelität hätte das Projekt nur sehr viel langsamer realisiert werden können."

Architektur, räumliche Gegebenheiten, Statik und Strom

Die vorhandenen Räumlichkeiten mit den Gasbrennern waren naturgemäß bereits für die Nutzung mit entflammbaren Materialien ausgelegt, sodass der Verwendung von Wasser-/Wasser-Wärmepumpen mit dem umweltverträglichen und hocheffizienten Kältemittel R1234ze, für die zweite Stufe möglich war. Im Außenbereich als erste Stufe wurden Luft-/Wasser-Wärmepumpen mit R32 und unterschiedlichen Leistungsstufen eingeplant. Die Wärmepumpen-Lösung gewährleistet das Heizen und Kühlen in einem System. Dies ist für alle Beteiligten natürlich ein besonderer Vorteil. Bisher geschah dies durch zwei voneinander getrennte Systeme. Um die besondere Architektur der Gebäude nicht zu stören, entschied man sich bei der Installation für eine verdeckte Montage auf dem Dach, die zusätzliche Befestigungen und Statik-Prüfungen nötig machte. Mangels eines geeigneten Kellerraumes musste bei einem Gebäude das Innengerät der zweiten Stufe neben den Außengeräten ebenfalls auf dem Dach in einem eigens dafür errichteten frostsicheren Innenraum montiert werden.

In Zusammenarbeit mit weiteren Lieferanten wurden individuell gefertigte Befestigungen und Ölabscheider errichtet, die die geplante Montage auf dem Dach ermöglichten. Zudem musste die verfügbare Stromversorgung geklärt werden. Die Outletcity AG ist für das gesamte Outlet selbst Stromlieferant und es musste im Vorfeld sichergestellt werden, dass – beim gleichzeitigen Anlaufen und Betrieb aller Maschinen ausreichend Strom zur Verfügung gestellt werden kann. Dies machte eine Steuerung notwendig, die Stromspitzen abfedern kann durch zeitlich versetzte Anlaufzeiten der Maschinen.

Die Wärmepumpen

Insgesamt sind heute in sieben Gebäuden 18 DAIKIN Kältemaschinen unterschiedlichen Typs im Einsatz. In der ersten Stufe acht Luft-/Wasser-Wärmepumpen der Baureihen EWYT175B und zwei der Baureihe EWYT215B mit Leistungen von 175 bis 215 kW. In der zweiten Stufe drei Maschinen des Typs EWWH110J sowie vier Maschinen des Typs EWWH090J mit 110 und 90 kW Leistung. Die Gesamtleistungsaufnahme der Anlage beträgt 900 kW.

Technische Daten

Erste Stufe Zweite Stufe
8 x EWYT175B 3 x EWWH110J
2 x EWYT215B 5 x EWWH110J
> reversible Luft/Wasser-Wärmepumpe > wassergekühlter Chiller
> Scroll Verdichter >Single Screw Verdichter
> Hohe Effizienz > Effizienzklasse "Standard"
> Niedrigem Schallpegel > Standardschallpegel
> R-32 Kältemittel > R-1234ze Kältemittel

Fazit

In Metzingen hat man durch den Einbau von großen, besonders effizienten Wärmepumpenlösungen nicht nur einen schnellen und großen Schritt hin zu einer Dekarbonisierung geschaffen. Besonderheit: Die bisherige Brennstoffversorgung über Gas wurde nicht abgebaut, sondern durch das neue Wärmepumpensystem ergänzt und ermöglicht dem Betreiber heute zusätzliche Flexibilität. Je nach Preisentwicklung am Gas- oder Strommarkt steht ein passendes, kostengünstiges System zur Verfügung. Auf mögliche Ausfälle kann unmittelbar reagiert werden. Normalisiert sich der Gaspreis, dann ist die Outletcity in der Lage, flexibel auf Entwicklungen hinsichtlich Gaslieferbarkeit und Strompreis zu reagieren und hat jeweils ein maßgeschneidertes kosteneffizientes Heizungs- (und Kühlungs-)System parat. Übrigens ist seit Januar die erste Anlage des Projektes in Betrieb und alle weiteren Anlagen gehen im März ans Netz. Das heißt konkret: von Beginn der dringenden Notwendigkeit bis zur Umsetzung des gesamten Projektes verging gerade mal knapp ein Jahr. Da sage nochmals einer, dass in unserem Land alles so lange dauert. Das Beispiel Metzingen belehrt uns eines Besseren.